Ötzi, der Mann aus dem Eis

Eingefügt in den historischen Rahmen bilden der Mann aus dem Eis (Ötzi) und seine Originalbeifunde den zentralen Ausstellungskomplex des Südtiroler Archäologiemuseums.

Vor über 5.000 Jahren stieg ein Mann in die eisigen Höhen der Schnalstaler Gletscher und kam dort um. Im Jahr 1991 wurde er zufällig gefunden: mitsamt seiner Kleidung und Ausrüstung, mumifiziert, gefroren - eine archäologische Sensation und eine einzigartige Momentaufnahme eines kupferzeitlichen Menschen, der im Hochgebirge unterwegs war.

Am 19. September 1991 ging eine Sensationsnachricht um die Welt. Am Hauslabjoch, dem Grenzübergang zwischen dem Schnals- und dem Ötztal, war eine mumifizierte Leiche gefunden worden. 15 Kilogramm schwer, 1.60 m groß und, was am allerwichtigsten war, 5.300 Jahre alt. Der Ötzi, wie man ihn schnell nannte, war eine archäologische Einzigartigkeit.

Weltweit haben Menschen, Medien und Wissenschaft die Bergung von Ötzi, dem Mann aus dem Eis verfolgt, der 5.300 Jahre samt Kleidung und Ausrüstung unversehrt überdauert hat. Die archäologische und naturwissenschaftliche Forschung entlockte dem Fundkomplex unzählige Erkenntnisse über den Mann aus dem Eis und das Leben in der Kupferzeit.

Das Besondere des 1991 am Gletscher zutage getretenen Fundkomplexes besteht darin, dass eine komplett erhaltene Mumie mit vollständiger Kleidung und Ausrüstung Einblick in die Tracht und die technischen Fähigkeiten der beginnenden Kupferzeit (3300 bis 3100 v. Chr.) gibt.

Die Bekleidung setzt sich aus einer Mütze, einem Fellmantel, einem Paar Beinkleider und einem Lendenschurz aus Leder sowie einem Paar gefütterter Schuhe zusammen.

Bekleidungsreste waren zuvor lediglich in relativ fragmentiertem Zustand aus den Pfahlbauten des zirkumalpinen Raumes bekannt, wobei es sich in der Regel um gewebte oder geknüpfte pflanzliche Fasern handelt. Tierische Materialien, wie Felle etc. haben sich dort nicht erhalten. Daher bietet der Fundkomplex "Mann aus dem Eis" eine Momentaufnahme eines kupferzeitlichen Mannes, der sich im Hochgebirge bewegte.

Es ist vor allem auch die erstmals konservierte Ausrüstung eines Kupferzeitmenschen, die fasziniert: mit dem Mann eingefroren haben seine Kleider und die vielen Gerätschaften des täglichen Gebrauchs die Jahrtausende überdauert.

Zu seiner Ausrüstung gehören ein nicht vollendeter Bogen, ein Köcher mit Pfeilen und Pfeilschäften, ein Beil mit Kupferklinge, ein Dolch mit Silexklinge (Feuerstein), ein Retuscheur, Birkenrindengefäße, eine Kraxe und diverse Reservematerialien sowie Knochenspitzen.

Mit Sorgfalt vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz restauriert und rekonstruiert, lassen z.B. die "Thermoschuhe", die "Rucksacktrage" und der Dolch samt Scheide erkennen, wie zweckmäßig die Ausrüstung des Mannes aus dem Eis war und es ist verblüffend, wie vergleichsweise wenig Abstand zwischen der neolithischen Ausrüstung und dem heutigen Ausrüstungsstandard eines Bergwanderers liegt: Lediglich die Materialien sind "moderner" geworden.

Archäotechniker aus ganz Europa haben die Beifunde des Mannes aus dem Eis wiederholte Male nachgebaut und getestet. Sie waren erstaunt über die Funktionalität von Bogen und Pfeilen, von der Axt, mit der man tatsächlich Bäume fällen kann und von dem Zunderschwamm aus dem Gürtel von Ötzi, der mit Pyrit auch bei Wind und Wetter ein wärmendes Feuer entfacht.

Die Bozner Mumie ist etwas Einzigartiges: Bisher waren allenfalls Kultstätten aus der Kupferzeit entdeckt worden. Orte, an denen die Menschen, einer Zeremonie folgend, bestattet wurden. Der Ötzi aber lag dort, wo ihn der Tod auf der Blüte seines Lebens getroffen hat und umgeben von den Gegenstände, die er vor über 5.000 Jahre zum Leben in der freien Natur brauchte.

Sechs Jahre lang wurden Ötzi und seine Habseligkeiten im Institut für Anatomie in Innsbruck untersucht. Mediziner und Mikrobiologen, Anthropologen und Archäologen scharten sich um ihn und gewannen dabei wertvolle Erkenntnisse über das Alltagsleben der Menschen in der Kupferzeit.

1998 wurde der Mann aus dem Eis dann nach Bozen ins Südtiroler Archäologiemuseum überführt. Im September 2000 wurden dann neue Proben entnommen, von denen man sich vertiefte Erkenntnisse über die Herkunft, über die Todesursache und die DNA-Struktur von Ötzi erwartet.

Nach mehrjährigen Untersuchungen durch hochspezialisierte Forscherteams sind die Mumie vom Gletscher und ihre Beifunde jetzt im Südtiroler Archäologiemuseum der Öffentlichkeit zugänglich.

Auf dem Brustkorb des Mannes aus dem Eis wurde Anfangs Januar 2015 eine neue Gruppe von Tätowierungen entdeckt. Sie liegen im Gegensatz zu den anderen, bisher bekannten Tätowierungen nicht auf Körpermeridianen oder über Gelenken mit Verschleißerscheinungen. Da die Tätowierungen die gleiche Form wie alle anderen Tätowierungen aufweisen, dürften sie ebenfalls der Schmerzlinderung gedient haben.

Text: Südtiroler Archäologiemuseum